Die Begriffe Rastafari und Pastafari klingen ähnlich, könnten inhaltlich jedoch kaum unterschiedlicher sein. Die Namensähnlichkeit kommt dennoch nicht von ungefähr – die Pastafari haben sich bei ihrer Selbstbezeichnung bewusst von den Rastafari inspirieren lassen.
Die Rastafari-Bewegung entstand bereits in den 1930er-Jahren in Jamaika – als Reaktion auf Kolonialismus, soziale Ungleichheit und kulturelle Entwurzelung. Sie betont afrikanische Identität, Selbstbestimmung und die Ablehnung westlicher Dominanz, die als „Babylon“ bezeichnet wird – ein Begriff mit biblischem Bezug. Eine zentrale Figur im Rastafarismus ist Haile Selassie I, der letzte Kaiser von Äthiopien, den die Gläubigen als göttliche Inkarnation verehren. Zeit seines Lebens setzte sich Selassie für den sogenannten Panafrikanismus ein, also für die Einheit und Selbstbestimmung aller Menschen afrikanischer Herkunft – sowohl auf dem afrikanischen Kontinent wie auch in der weltweiten Diaspora. Dadurch wurde er zum Symbol für den Kampf gegen koloniale Strukturen und Rassismus – und zur Inspiration für die anti-koloniale Bewegung in Jamaika, aus der Rastafari hervorging.
Vor allem durch die weltweite Verbreitung der Reggae-Musik – insbesondere durch Künstler wie Bob Marley, der die spirituelle und politische Botschaft der Bewegung international bekannt machte – erlangte die zahlenmässig kleine und lokal verwurzelte religiöse Bewegung grosse Berühmtheit. Gleichzeitig führte dies aber auch zur Stereotypisierung. Sichtbare Merkmale wie Dreadlocks – ein biblisches Symbol afrikanischer Stärke und Ausdruck der Ablehnung westlicher Normen – werden häufig karikiert. Auch der Konsum von Cannabis, der im Rastafarismus eine sakramentale Rolle spielt und zur spirituellen Meditation dient, trägt zum verbreiteten Klischee des ständig bekifften Rastafari bei.
Trotz dieser vereinfachenden Darstellungen hat sich die Bewegung weit über Jamaika hinaus verbreitet und ist heute ein bedeutendes Symbol für Widerstand, spirituelle Selbstverwirklichung und den Kampf gegen Rassismus und Kolonialismus.
Ebenfalls politisch aufgeladen sind die Pastafari – Anhängerinnen und Anhänger der Church of the Flying Spaghetti Monster, einer satirischen Bewegung, die 2005 vom US-Amerikaner Bobby Henderson ins Leben gerufen wurde. Sie entstand als humorvolle Reaktion auf die Forderung in den USA, kreationistische Vorstellungen wie Intelligent Design als gleichwertige Alternative zur Evolutionstheorie im Biologieunterricht zu unterrichten.
Zentrale Figur dieser „Religion“ ist das Fliegende Spaghettimonster – ein imaginäres Wesen aus Nudeln und Fleischbällchen, welches das Universum erschaffen hat. Die Bewegung arbeitet bewusst mit absurden und ironischen Elementen, um auf die Problematik dogmatischer Glaubenssysteme und die geforderte Trennung von Religion und Wissenschaft hinzuweisen. Als Parodie-Religion spielen die Pastafari gezielt mit der Unschärfe zwischen Ernst und Satire, sodass in öffentlichen Debatten oft unklar bleibt, ob ihre Anhängerinnen und Anhänger wirklich „glauben“ – oder eben gerade nicht.
Das Ziel liegt weniger in der Etablierung eines Glaubenssystems, sondern vielmehr darin, politische Diskurse über Religion, Wissenschaft und staatliche Neutralität ins Absurde zu führen. So hinterfragen die Pastafari religiöse Privilegien und fordern Gleichbehandlung sämtlicher Weltsichten. In einzelnen Fällen konnten sie gar durchsetzen, dass sie auf offiziellen Ausweisdokumenten mit einem Spaghetti-Sieb auf dem Kopf abgebildet werden dürfen – um zu unterstreichen, dass anderen religiösen Gruppen ebenfalls solche Sonderregelungen eingeräumt werden.
Die Unterschiede zwischen den Pastafari und den Rastafari sind erheblich – es handelt sich um grundlegend verschiedene Bewegungen. Dennoch gibt es eine interessante Schnittmenge: Beide Gruppen richten sich gegen dominante Machtstrukturen in ihrem jeweiligen Kontext. Während die Rastafari Widerstand gegen Kolonialismus und westliche Vorherrschaft leisten, stellen die Pastafari vor allem etablierte religiöse Institutionen infrage und kritisieren deren Einfluss auf Politik und Gesellschaft. Gerade solche vergleichenden Betrachtungen verdeutlichen, wie vielfältig religiöse Ausdrucksformen sein können und wie unterschiedlich sie auf gesellschaftliche Herausforderungen reagieren. Die Religionswissenschaft als wissenschaftliche Disziplin trägt dazu bei, Expert:innen für diese Vielfalt an Weltsichten auszubilden – und leistet damit nicht nur zum interkulturellen und interreligiösen Verständnis einen wichtigen Beitrag, sondern auch zur Fähigkeit, vorherrschende Denkmuster zu hinterfragen, bestehende Paradigmen unserer Zeit kritisch zu reflektieren und neue Perspektiven zu entwickeln.
Loïc Bawidamann
Wenn du neugierig bist und mehr über Rastafari und Pastafari erfahren möchtest, empfehlen wir dir folgende Literatur zum Einstieg in das Thema:
Zu Rastafari:
Murrell, Nathaniel Samuel. 1998. Chanting down Babylon: The Rastafari Reader. Philadelphia: Temple University Press.
Edmonds, Ennis Barrington. 2012. Rastafari: A Very Short Introduction. Oxford: Oxford University Press.
Barnett, Michael & Rex M Nettleford. 2012. Rastafari in the New Millennium: A Rastafari Reader. 1st ed. Syracuse, N.Y: Syracuse University Press.
Zu Pastafari:
Henderson, Bobby. 2006. The Gospel of the Flying Spaghetti Monster. London: Haper Collins.
Cusack, Carole M. 2016. Invented Religions: Imagination, Fiction and Faith. London: Routledge.
Wakonigg, Daniela & Winfried Rath. 2017. Das Fliegende Spaghettimonster – Religion oder Religionsparodie? 1. Auflage. Aschaffenburg: Alibri.